Der haarfeine Unterschied im Romantischen Franken

In Windelsbach im Romantischen Franken übt das Familienunternehmen „Kost Kamm“ ein Handwerk aus, das es offiziell schon gar nicht mehr gibt: die Kammmacherei.

Mein Name ist Barbara Keil, ich bin an der Grenze zum Reiseland Franken aufgewachsen und habe schon als Kind gern meine fränkischen Verwandten besucht. Die Vielfältigkeit der Region ist mir erst bewusst geworden, als ich anfing beruflich als Redakteurin nach Franken zu reisen. Jeder Ausflug bietet neue überraschende Entdeckungen und spannende Begegnungen mit den Menschen vor Ort!

Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. In Windelsbach lerne ich heute bei „Kost Kamm“ alles über die Kunst des Kammherstellens.

Nachhaltiges Kammhandwerk

Ganz kurz überlegen die beiden Radfahrer, die auf dem „Tauber Altmühltal Radweg“ aus Richtung Rothenburg ob der Tauber kommen, dann biegen sie in den Hof und halten vor dem Laden. „Kostbar“ haben Anja und Martin Kost ihn getauft – und was sie hier präsentieren sowie verkaufen, sind Schätze der Handwerkskunst.

Radler machen häufig Station bei „Kost Kamm“ in Windelsbach. Der Weg führt sie direkt auf den markanten Holzbau zu, in dem seit 2018 Büros und Laden untergebracht sind. Mit seinen vertikalen Streben erinnert das mit dem „Deutschen Holzbaupreis“ ausgezeichnete Gebäude schon von Weitem an einen Kamm. Dieser Bezug zum Unternehmen war aber nicht der einzige Grund dafür, mit Holz zu bauen. „Nachhaltigkeit ist unsere Herzensangelegenheit“, betont Anja Kost. Schließlich stellt das Familienunternehmen auch ein nachhaltiges Produkt her. Und die Holzabfälle, die dabei entstehen, werden gleich zum Heizen verwendet.

© Kost Kamm

Betrieb mit Familientradition

Dass Martin Kost mit seinem Angebot einmal genau den Zeitgeist treffen würde, war nicht abzusehen, als er das Familienunternehmen vor mehr als 25 Jahren in vierter Generation übernahm. „Ich habe das Handwerk von meinem Opa gelernt. Er war noch Kammmachermeister“, erzählt er: „Aber da war die Zunft eigentlich schon ausgestorben.“ Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts hatten Kunststoffkämme die zuvor verbreiteten Varianten aus Holz und Horn verdrängt. Auch die Vorfahren von Martin Kost setzten damals auf das neue Material.

Doch Mitte der 1960er Jahre begann der Großvater wieder, Holzkämme herzustellen. „Er war überzeugt, dass der Holzkamm besser für die Haargesundheit ist“, erklärt der Enkel. Plastikkämme sind nämlich nicht vollständig glatt. Durch kleine Nahtstellen und Unebenheiten werden die Haare beim Kämmen beschädigt. Wer einen Kost-Kamm anfasst, spürt sofort die seidig-glatte Oberfläche. Um diese zu erreichen, wird jedes Stück lange poliert – geschwabbelt heißt das in der Fachsprache. Ein weiterer Vorteil des Holzkamms: Durch das Naturmaterial werden die Haare nicht statisch aufgeladen.

© Barbara Keil

„Mich hat fasziniert, wie man etwas so Filigranes aus Holz machen kann“, erinnert sich Martin Kost an seine Anfänge in der Werkstadt des Großvaters. Nach seinem Studium entschloss er sich dazu, die Produktion von seiner Mutter zu übernehmen. Es fehlte nur noch der passende Ort dafür – und dieser war mit Windelsbach im Romantischen Franken, zehn Kilometer von Rothenburg ob der Tauber entfernt, schnell gefunden. Eine ehemalige Scheune beherbergt die Werkstatt, daneben befindet sich das Holzlager und zusätzlich zu den ursprünglichen Büroräumen entstand vor wenigen Jahren der Holzneubau mit Platz für den Laden. Seit den Anfängen ist die Firma nämlich deutlich gewachsen. „Wir haben mit null Mitarbeitern angefangen und sind jetzt bei 14“, so Martin Kost. Da es keine ausgebildeten Kammmacher mehr gibt, werden Neulinge vor Ort angelernt.

Vom Holzklotz zum Unikat

Das Holz beziehen die Kosts größtenteils direkt aus der Region. Hart und fein strukturiert muss es sein, wie etwa Kirsche, Birne oder Ahorn. Wenn es getrocknet ist, werden die Bohlen in Klötze geschnitten. Bis aus einem solchen Klotz ein Kamm wird, sind über 20 Arbeitsschritte nötig. Bei Führungen machen sich Gruppen in der Werkstatt ein Bild von der aufwendigen Fertigung. Nur das Aussägen der Zähne erfolgt rein maschinell, wobei der Abstand nach Bedarf eingestellt wird: Nur 0,4 Millimeter sind es bei der feinsten Variante – dem Babykamm.

© Barbara Keil

Danach werden die Zähne abgerundet und bekommen eine Spitze, die Kanten werden ebenfalls gerundet, die Oberfläche abgeschliffen – je glatter sie ist, desto unempfindlicher ist der Kamm gegenüber Wasser. Ganz zuletzt werden die Kämme mit Baumwolle und einer mineralischen Polierpaste bearbeitet, sodass die Kunden später ein veganes Naturprodukt in den Händen halten. Die farblich abgesetzte Querleiste sorgt für Stabilität und gestalterische Freiheit.

„Viele nutzen unsere Kämme ein Leben lang.“

Anja Kost

Für Letztere ist Anja Kost zuständig. Sie entwickelt das Design der Produkte, wobei es längst nicht mehr nur um Kämme geht: Haarnadeln, Haarspangen und Schmuck aus Holz, dazu unterschiedlichste Bürsten, Rasier- und Kosmetikzubehör. Rund 350 Artikel gehören inzwischen zum Sortiment. Das Interesse an den handwerklich gefertigten Produkten wächst stetig. Unverpacktläden, Biomärkte, Webshops und Naturfrisöre verkaufen und verwenden sie. Die Investition in einen der hochwertigen Holzkämme lohnt sich auf jeden Fall, wie Anja Kost weiß: „Wir haben Kunden, die benutzen ihn ein Leben lang.“

Eintauchen in die einmalige Handwerkskunst der Kammmacherei und vielleicht den „Kamm fürs Leben“ mit nach Hause nehmen: Wer mehr darüber erfahren möchte, findet weitere Informationen unter www.kostkamm.de. Windelsbach und die Urlaubsregion Romantisches Franken empfangen Gäste mit zahlreichen Rad- und Wanderwegen, historischen Städten und fränkischer Kulinarik von Bier über Wein bis hin zur traditionellen Küche: www.romantisches-franken.de. Und nicht nur im Romantischen Franken finden sich Regionalität und ressourcenschonender Verbrauch wieder – das ganze Reiseland Franken denkt nachhaltig: www.frankentourismus.de/nachhaltiger-urlaub/. Wer einen Besuch in Windelsbach und Umgebung plant, der kann vielerorts auf die Angebote von Bus und Bahn zurückgreifen: www.romantisches-franken.de/Reisefuehrer/Service/Anfahrt

Barbara Keil

Verfasst von Barbara Keil
am 4. August 2023 unter Allgemein, Hausbesuche Franken mit den Schlagwörtern Handwerk, Nachhaltigkeit, Natur, Regional, Romantisches Franken.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert