Liebliches Taubertal: Im Garten der Götterfrüchte

Auf Schloss Weikersheim im Lieblichen Taubertal verwirklichte im Barock ein Grafenpaar seinen gärtnerischen Traum von „Klein-Versailles“. Durch diese prachtvolle Anlage lustwandeln die Teilnehmer:innen einer Kostümführung heute mit dem historischen Hoffräulein von Ilten.

Wenn man Wein mit Familiennamen (und Sisi mit Vornamen) heißt, passt es wunderbar, wenn man über den Frankenwein schreiben darf. Und über Frankens kulinarische Besonderheiten. Über Natur, Traditionen und Kultur. Und nicht zuletzt über unglaublich spannende und gastfreundliche Menschen, die das Urlaubsland so besonders machen. Das tue ich nun, seitdem ich vor rund 20 Jahren als Journalistin vom Bayerischen Wald in den Naturpark Altmühltal gezogen bin.

Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Dieses Mal nimmt mich Jutta Gromes, alias Christiana Frederica von Ilten, mit auf eine Runde durch die barocke Pracht von Schloss Weikersheim und seinen Gärten.

Skandal im Schlossgarten

Das Hoffräulein von Ilten ist nicht amüsiert. Sie hat sich in der Zwergengalerie des Weikersheimer Schlossgartens entdeckt, in der Graf Carl Ludwig seinen Hofstaat verewigen ließ. Ihre steinerne Zwergen-Variante blickt missmutig und hat auch noch eine Knubbelnase – so gar nicht würdig dem Hoffräulein, das daraufhin die große Treppe in den Garten hinabrauscht.

Doch auch dieser Ausdruck würde dem barocken Fräulein nicht gefallen. Sie rauscht nicht, sie schreitet – ganz wie es einer Dame ihres Standes geziemt. Mehr wäre aufgrund des eng geschnürten Mieders und dem üppigen Überrock auch gar nicht möglich. Außerdem ist sie nicht begeistert davon, in welch liederlichem Zustand ihre Gäste im Schlossgarten sind. Kurze Hosen! Und das sogar bei den Damen! Man bedecke doch sittsam seine Knöchel! Das Hoffräulein ist einer Ohnmacht nahe und greift zum Riechfläschchen.

Ein Hoffräulein vor den blühenden Gärten des Schloss Weikersheim
© Sisi Wein

Von der Wasserburg zum Renaissance-Palast

Auch wenn sich das Hoffräulein manchmal etwas streng gibt: Ihre Kostümführung durch Schloss Weikersheim ist ein großer Spaß. In die Rolle des Fräuleins schlüpft Jutta Gromes, die die Zeit von Renaissance und Barock mit prächtigen Bildern in den Köpfen der Gäste lebendig werden lässt.

Der Schauplatz für ihre Führungen könnte schöner nicht sein. Das ist zunächst Graf Wolfgang
II. von Hohenlohe-Weikersheim zu verdanken. Als er die Herrschaft über Weikersheim erbte und 1587 dorthin übersiedelte, fand er nur eine alte Wasserburg vor. Die entsprach gar nicht seinen Vorstellungen und so ließ er sich ein neues Renaissance-Schloss errichten. Mit dem 40 Meter langen Rittersaal setzte er sich ein farbenprächtiges Denkmal: Den Saal zieren Jagdszenen mit süffisanten Details und lebensgroße „Tiertrophäen“ aus Stuck: vom Reh bis zum Elefanten.

Ein prächtiges, barockes Schloss mit rotem Dach aus der Luft betrachtet
© Sisi Wein

Blühende Pracht und allerhand Prunk

Die Zeit des echten Hoffräuleins Christiana Frederica von Ilten kam rund 150 Jahre später: Über drei Jahrzehnte war sie die persönliche Bedienstete von Gräfin Elisabeth Friederike Sophie, Gattin des regierenden Grafen Carl Ludwig. „Ich bin dazu da, den äußeren Glanz der Fürstin zu unterstreichen“, betont das Führungs-Fräulein. Andächtig spricht sie von der Gräfin stets als Fürstin. Denn Elisabeth Friederike Sophie, geborene Prinzessin von Oettingen-Oettingen, stand im Adelsrang über ihrem Mann. Und sie sammelte gerne: Deshalb finden sich im Schloss kostbare Schnitzereien, wertvolle Spiegel und exquisites Porzellan.

Darüber hinaus gehörte die Leidenschaft des Grafenpaars den Pflanzen, je exotischer, desto besser. Doch wie sollten sie diese angemessen präsentieren? Ein Schlossgarten musste her, am besten direkt hinter dem Schloss im Tal der Tauber. Ganz „à la mode“ sollte die Anlage sein. Alle wichtigen Trends dieser Zeit kamen aus Frankreich – mit Schloss Versailles als großem Vorbild. Schreitet man mit dem Hoffräulein – Nasenspitze hoch, Fußspitzen nach außen – vom Schlosshof durch einen unscheinbaren dunklen Gang, wird man überwältigt vom Strahlen von „Klein-Versailles“: ein prächtiger Barockgarten, geordnet in eleganten Formen und bestückt mit blühenden Beeten, Springbrunnen und unzähligen Figuren.

Bunte Blumenpracht vor einem barocken Schloss mit Turm und rotem Ziegeldach

Goldene Äpfel“ über dem Taubertal

Häufig erzählen die Figuren Geschichten der antiken Mythologie. Die barocken Herrscher übertrugen die Tugenden der Helden und Götter gerne auf sich selbst. Carl Ludwig zum Beispiel sah sich als Halbgott Herkules, der als Brunnenfigur an zentraler Stelle die Blicke auf sich zieht. „Vor allem die Gärten der Hesperiden hatten es ihm angetan“, erzählt das Hoffräulein. Herkules besiegt in dieser Geschichte den Drachen Ladon, der die Gärten bewacht. Darin wachsen goldene Äpfel, die unsterblich machen: „Carl Ludwig wäre gerne unsterblich gewesen – wie alle barocken Herrscher.“ Doch selbst ihm blieben diese Äpfel verwehrt. Stattdessen wachsen im Schlossgarten leuchtend gelbe Zitronen. Sie kamen den goldenen Äpfeln am nächsten und der Graf ließ ihre Stämmchen überall im Garten verteilen – ebenso wie Granatäpfel, Agaven oder Feigen. „So machte er sich durch seinen Garten unsterblich“, resümiert das Fräulein.

Weitläufiger Garten mit wegen und Grünflächen, im Hintergrund das lang gezogene Gebäude einer Orangerie
© Sisi Wein

Damit die empfindlichen Südländer den Winter gut überstehen, bildet eine zweigeteilte Orangerie den Abschluss des Schlossgarten: Dazwischen schweift der Blick weit ins Taubertal hinein, der Garten scheint sich bis zum Horizont zu erstrecken. Nach so viel Lustwandeln in der Sonne wird es dem Hoffräulein nun doch etwas zu warm. Zeit, sich in den Schatten zurückzuziehen: in die Kastanienallee oder in den Teepavillon, wo vielleicht schon die Fürstin auf ihr treues Hoffräulein wartet – damit ihr Glanz weiterhin die Zeit überdauere.

Höfische Etikette, „goldene Äpfel“ und dazu eine Zeitreise voll Prunk und Pomp – das alles bietet ein Besuch auf Schloss Weikersheim. Die Urlaubsregion Liebliches Taubertal hält obendrein vielfältige Rad- und Wandermöglichkeiten bereit und bietet – typisch fränkisch eben – Genusserlebnisse zwischen Bier und Wein sowie eine ausgezeichnete regionale Küche: www.liebliches-taubertal.de. Noch mehr faszinierende Gartenanlagen und blühende Pracht findet man unter dem Stichwort „Frankens Paradiese“. Weikersheim und Umgebung sind durch die zentrale Lage über Bus- und Bahnlinien gut zu erreichen, nähere Informationen dazu unter www.schloss-weikersheim.de/besuchsinformation/anfahrt.

Sisi Wein

Verfasst von Sisi Wein
am 21. Juli 2023 unter Allgemein, Hausbesuche Franken, Urlaubsland Franken mit den Schlagwörtern Garten, Liebliches Taubertal, Schloss.

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