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Der Hochzeitszug Johann Casimirs

Auf den Spuren eines verlorenen Wandgemäldes am Fürstenbau der Veste Coburg

Datum: 10.07. - 05.10.25

Vor einigen Jahren gelangte ein kleines, unscheinbares Faltbuch als Schenkung an die Kunstsammlungen der Veste Coburg. Das um 1905 entstandene Leporello, das nur 10 cm in der Höhe misst, ist im ausgeklappten Zustand drei Meter lang. Es zeigt den fiktiven historischen Hochzeitszug Herzog Johann Casimirs (1564–1633), der sich einst über mehrere Wände am Fürstenbau der Veste zog. Mit der Übergabe des Büchleins begann für Prof. Dr. Stefanie Knöll, Leiterin des Kupferstichkabinetts der Kunstsammlungen der Veste Coburg, ein spannender Recherche-Krimi zu dem heute leider verlorenen Wandgemälde. So entdeckte die Kunsthistorikerin im Zuge dieser Forschungen vier Entwurfszeichnungen für die Wandmalerei, deren Entstehungsgeschichte eng mit der Baugeschichte der Veste verknüpft ist.

Das Gemälde in Fresko-Technik entstand um 1842. Es steht damit in Verbindung zu der von Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha veranlassten Umgestaltung der Veste Coburg als Monument der ernestinischen Geschichte. Der Fürstenbau erhielt 1841 auf der Hofseite im ersten Stock eine offene Galerie (heute: Jagdgalerie). Der Künstler Heinrich Justus Schneider (1811–1884) wurde beauftragt, die Wände der Galerie mit einer Malerei zu schmücken. „Für die Gestaltung einer derart langen Wandfläche wird sich die szenische Darstellung eines Festzuges geradezu angeboten haben“, erläutert Prof. Dr. Stefanie Knöll: „Vielleicht gab die Vermählung des Erbprinzen Ernst, dem späteren Herzog Ernst II., mit Alexandrine von Baden im Mai 1842 einen Anreiz zur Auswahl des Hochzeit-Motivs.“ Um 1854/55 wurde der gemalte Hochzeitszug durch Ferdinand Rothbart (1823–1899) um einige Szenen erweitert. Die Notwendigkeit hierfür hatte sich im Zuge der Planungen zur Umgestaltung der Lutherkapelle der Veste ergeben. Nachdem der alte und baufällige Kirchengiebel 1847 abgebrochen worden war, hatte der Architekt Wilhelm Streib 1848 einen Entwurf vorgelegt, der einen kleineren Kirchenraum vorsah und gleichzeitig die Galerie des Fürstenbaus verlängerte. Das Wandgemälde, das nun mitten auf der verlängerten Wand geendet hätte, wurde erweitert. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Malerei im Zuge der Umbauarbeiten des Architekten Bodo Ebhardt vollständig zerstört. Die einst offene Galerie wurde geschlossen und der Fürstenbau für den letzten regierenden Herzog Carl Eduard zu Wohnzwecken umfassend modernisiert.

Unwiderbringlich verloren ging der gemalte Hochzeitszug, der sich mit einer Vielzahl von Figurengruppen mehr als ein halbes Jahrhundert lang über drei Wände bis zur Kapelle erstreckte. Was war dargestellt? Der Zug wird von einem Herold, dem für das Zeremoniell zuständigen Hofbeamten, angeführt und bewegt sich auf eine Gruppe junger Frauen zu, die die Ankommenden mit Blumen empfangen. Es folgen Bannerträger, Musiker, Jagdpersonal und Stallmeister. Das von „Hofnarr“ und „Hofzwerg“ begleitete Brautpaar sitzt in einer prachtvollen sechsspännigen Kutsche. Die Details der Kutsche verweisen auf die beiden in den Kunstsammlungen der Veste Coburg im historischen Original erhaltenen Brautwagen des 16. Jahrhunderts, die bei den Hochzeiten Herzog Johann Casimirs zum Einsatz kamen. Dabei muss unklar bleiben, ob in der Darstellung auf eine bestimmte Hochzeit Herzog Johann Casimirs, der zweimal verheiratet war, angespielt wurde. „Das Leporello nennt die erste Hochzeit mit Anna von Sachsen, doch die Übereinstimmungen zum Brautwagen der zweiten Hochzeit mit Margarethe von Braunschweig-Lüneburg sind größer“, so Prof. Dr. Stefanie Knöll. Der Kutsche folgen Repräsentanten der weltlichen und geistlichen Ministerien, Dichter, Bürgermeister, Baumeister und der Lehrer mit der singenden Schuljugend.

Während dieser erste Teil des Wandgemäldes bereits aus einer schriftlichen Beschreibung bekannt war, die der Autor Friedrich Wilhelm von Kawaczynski 1843 in seinem Buch „Die Veste Coburg. Eine Monographie für Einheimische und Fremde“ veröffentlichte, wurde erst durch das Leporello erkennbar, dass der Hochzeitszug ab 1855 weitere Figurengruppen erhielt. „Es ist ein großer Glücksfall, dass nun die vier Zeichnungen von Ferdinand Rothbart für die Erweiterung des Hochzeitszuges entdeckt wurden“, betont Prof. Dr. Stefanie Knöll. Es handele sich um skizzenhafte Entwürfe, bei denen der Künstler verschiedene Ideen durchspielte. Die Leiterin des Kupferstichkabinetts erläutert: „Da werden Köpfe und Handhaltungen korrigiert, die richtige Position der Pferdebeine ausgetestet oder Überlegungen zur passenden Länge eines Gewehrschaftes angestellt. Im Gegensatz zu dem blau-weiß gehaltenen Leporello, können uns die Zeichnungen in Bleistift und Wasserfarben eine Vorstellung von der Farbigkeit der Wandmalereien vermitteln.“

Die neu entdeckten Entwurfszeichnungen und das Leporello stehen im Zentrum der Studio-Ausstellung, die in Fotografien und Zeichnungen den Spuren des verlorenen Wandgemäldes nachgeht. Eine neun Meter lange Reproduktion des Leporellos lässt die heutigen Betrachter die monumentale Wirkung des Hochzeitszuges als Wandfries nachempfinden.

Info: 09561 879-0 www.kunstsammlungen-coburg.de

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