Fichtelgebirge: Schatzsucher in der eigenen Geschichte

Heimatforscher und Historiker, Häuser-Retter und dazu eine eigene Reihe beim Bayerischen Fernsehen: Adrian Roßner aus Zell im Fichtelgebirge vermittelt mit großer Leidenschaft, was seine Heimat besonders macht – und das mit gerade einmal 30 Jahren.

Wenn man Wein mit Familiennamen (und Sisi mit Vornamen) heißt, passt es wunderbar, wenn man über den Frankenwein schreiben darf. Und über Frankens kulinarische Besonderheiten. Über Natur, Traditionen und Kultur. Und vor allem über die Menschen, die das Urlaubsland so besonders machen. Das tue ich, seitdem ich vor rund 20 Jahren als Journalistin vom Bayerischen Wald in den Naturpark Altmühltal gezogen bin. So vereint meine Arbeit zwei meiner Lieblingsdinge: Schreiben und Reisen – denn noch immer ist jeder Recherche-Besuch in Franken wie Urlaub, bei dem unglaublich spannende und gastfreundliche Menschen meinen Horizont erweitern.

Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Heute lasse ich mich von Adrian Roßners Geschichten aus dem Fichtelgebirge begeistern.

Adrians G’schichtla“: So heißt die Reihe des jungen Zellers – mit vollem Namen Adrian Roßner – die seit 2018 im Bayerischen Fernsehen (BR) ausgestrahlt wird. Über 30 Folgen waren im Rahmen der Sendung „Wir in Bayern“ bereits zu sehen und stehen in der BR-Mediathek zur Verfügung. Seine fünf bis zehn Minuten langen „G’schichtla“ mit Themen aus dem Fichtelgebirge sind sehr beliebt, was Adrian nicht nur als persönlichen Erfolg wertet, sondern als Gewinn für das ganze Fichtelgebirge: „Ich will zeigen, wie unglaublich spannend die Landschaft vor der eigenen Haustür ist“.

Als Intro für seine „G’schichtla“ dient die Titelmelodie von „Indiana Jones“. Wie der berühmte Kinoheld ist Adrian Roßner auf der Jagd nach Schätzen, die in der Geschichte verborgen liegen: Er erzählt von der bedeutenden Textilindustrie im Fichtelgebirge und sitzt dafür selbst am Handwebstuhl im Münchberger Heimatmuseum, klettert im Selber Schausteinbruch herum oder zeigt die Schönheit des Hofer Königssaals, von dem selbst viele Einheimische nichts wissen.

Dem jungen Historiker geht es darum, gerade den kleinen Dingen Wertschätzung entgegenzubringen. Bestes Beispiel sind die kunstvollen und bunten „Badderla“: Diese Glasknöpfe wurden rund um den Ochsenkopf bereits im 15. Jahrhundert hergestellt und erfuhren nach dem Zweiten Weltkrieg einen Innovationsschub, als sich böhmische Glasmacher im Fichtelgebirge ansiedelten.

© Hartmuth Raabe

Überhaupt hat Adrian Roßner ein großes Faible für die Industriegeschichte. „Das hat schon begonnen, als ich klein war“, erzählt er. „Sobald eine Dampfmaschine in der Nähe war, hat mich nichts mehr gehalten.“ Im Vergleich mit anderen Themenbereichen wird die Industriegeschichte jedoch oft stiefmütterlich behandelt. „Das liegt unter anderem daran, dass hier nicht Prachtbauten im Mittelpunkt stehen. Aber historische Zeugnisse müssen nicht immer schön sein, um große Bedeutung zu haben“, betont er.

Umso wichtiger ist es dem studierten Historiker, die Geschichten dahinter zu erzählen: „Bei Industriekultur geht es auch immer um die Menschen und ihre Art zu leben.“ Für das Fichtelgebirge, das von Weberei, Spinnerei, Bergbau und der Porzellanherstellung besonders geprägt wurde, sei dies umso wichtiger. „Man muss verstehen, wie eine Landschaft zu der geworden ist, die sie ist – sonst verliert sie ihre Identität.“

„Heimatpflege bedeutet für mich, Tradition weiterzutragen und zukunftsfähig zu machen.“

Adrian Roßner

Adrian Roßner unterrichtet an der Universität Bayreuth, wurde vom Freistaat Bayern zum Kreisarchivpfleger bestellt und ist Mitglied am Forschungsinstitut für Fränkische Landesgeschichte. Die Geschichte deshalb in einen akademischen Elfenbeinturm einzusperren, liegt ihm aber fern. „Ich will Verständnis und Wertschätzung vermitteln: auf lockere, unterhaltsame Weise.“ Vielleicht sind seine historischen Vorträge genau deshalb so beliebt, den ersten hielt er übrigens schon mit 16 Jahren. Seine Themen decken ein weites Feld ab: von der Vor- und Frühgeschichte über die Pestzeit bis zur „Revolution im Fichtelgebirge“. Angetan hat es ihm zudem die Sagenwelt seiner Heimat, in der sich Figuren wie der „Reiter ohne Kopf“ oder der „Bilmesschneider“ – ein dämonischer Hase mit Sichelpfoten – tummeln. „Allerdings“, so Adrian Roßner, „waren diese Sagen kaum mehr dem heutigen Publikum erzähl- und vorlesbar“. Deshalb hat er sich zusammen mit zwei weiteren Autoren daran gemacht, eine Sagensammlung aus dem Bauernhofmuseum Kleinlosnitz für ein eigenes Buch zu überarbeiten. „Wir haben den Sagen Gesichter und Charaktere gegeben, sie nahbar und menschlich gemacht.“

© Hartmuth Raabe

Die Begeisterung für das Fichtelgebirge spiegelt auch Roßners Ehrenamt in den verschiedensten Vereinen wider – von der „Historischen Runde Sparneck“ bis zur „Felsenbühne Waldstein“. Der Fichtelgebirgsverein ist ebenfalls darunter, dessen stellvertretender Vorsitzender Adrian ist. Doch kennt man diesen nicht eher als Wanderverein?„Das ist nur ein Teil der Aufgaben des Fichtelgebirgsvereins“, betont Roßner. „Wir pflegen nicht nur die Landschaft, sondern auch die Kultur.“

Stark macht sich Adrian Roßner zudem für die Regionalentwicklung: „Für mich bedeutet Heimatpflege nicht, dass sich nichts verändern darf. Es geht darum, Tradition weiterzutragen und zukunftsfähig zu machen.“ Dies gelingt ihm oft, aber nicht immer: wie im Fall einer großen Spinnerei in Mainleus, die nach über 100 Jahren schließen musste. „Ich war am letzten Arbeitstag dabei, als die Arbeiter die Maschinen abgestellt haben und die Kessel langsam kalt wurden. Zu sehen, wie so eine Firma stirbt, hat mich tief berührt“, erinnert er sich mit großem Bedauern.

Und dann gibt es wieder Fälle, in denen er einem bereits „todgeweihten“ Gebäude zurück ins Leben verhelfen kann. Wie beim „Fachwerkhäusla“ im Herzen von Münchberg. Dessen Abriss war eigentlich schon beschlossen, doch um dies zu verhindern gründete Roßner zusammen mit einigen Gleichgesinnten eine Bürgerinitiative. In diesem Zuge wurde das wahre Alter des Gebäudes festgestellt: Es stammt aus dem Jahr 1701 und ist damit sogar das älteste Haus der Stadt. Das „Fachwerkhäusla“ durfte nicht nur bleiben, sondern wird derzeit sogar zum „Genusshäusla“ umgestaltet. Mit Showküche, Tourist-Information und Kräutergarten ein idealer Ort, um die „G’schichtla“ des Fichtelgebirges weiter zu schreiben.

Glasknöpfe, Häuser-Rettung und Industriekultur – wen Adrians „G’schichtla“ rund um diese Themen begeistert haben und wer nun selbst einmal ins Fichtelgebirge reisen möchte, findet unter www.fichtelgebirge.bayern.de weitere Informationen. Das Fichtelgebirge ist dabei nicht nur ein Urlaubsparadies für Geschichtsbegeisterte – sein facettenreiches Angebot reicht vom ausgedehnten Wanderwegenetz über vielfältige Radelmöglichkeiten bis hin zu Frankens kulinarischen Highlights. Noch mehr zu Adrian Roßner selbst und seinen faszinierenden Geschichten erfährt man unter www.adrianrossner.de. Die abwechslungsreiche Urlaubsregion ist durch ein großflächiges Bus- und Bahnstreckennetz gut erschlossen – nähere Details hierzu gibt es unter www.fichtelgebirge.bayern.de – Anreise.

Sisi Wein

Verfasst von Sisi Wein
am 11. November 2022 unter Allgemein, Hausbesuche Franken, Kultur in Franken, Urlaubsland Franken mit den Schlagwörtern Fichtelgebirge, Geschichte, Kultur, Tradition.

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