Liebliches Taubertal: Weinkeller als Künstlerwerkstatt

Heinz Theobald ist einer der letzten Fassbodenschnitzer Deutschlands. Auf seine ganz eigene Art hält der Hard-Rock-Fan eine Tradition lebendig, die rund um seine Heimatstadt Lauda-Königshofen im Lieblichen Taubertal tief verwurzelt ist.

Mein Name ist Barbara Keil, ich bin an der Grenze zum Reiseland Franken aufgewachsen und habe schon als Kind gern meine fränkischen Verwandten besucht. Doch erst als ich vor einigen Jahren anfing, als Redakteurin beruflich nach Franken zu reisen, ist mir klar geworden, wie unglaublich vielfältig die Region ist. Jeder Ausflug bietet neue überraschende Entdeckungen und spannende Begegnungen mit den Menschen vor Ort!

Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Mit Hard Rock und viel Liebe fürs Detail führt mich Heinz Theobald heute an die Kunst des Fassbodenschnitzens heran.

Rhythmisch pocht der Klüpfel auf den Geißfuß, der sich mit jedem Schlag ein Stückchen mehr durch das Eichenholz gräbt. Konzentriert führt Heinz Theobald das Werkzeug und schält Konturen aus der glatten Fläche des Holzes: Weinblätter, Gesichtszüge, Buchstaben…. Immer wieder ändert er die Schlagrichtung. „Das Holz lebt, es sagt einem, wie es behandelt werden möchte“, erklärt er. „Und wenn man das nicht macht, geht es kaputt.“

Besonders leicht fällt dem Holzbildhauer die Arbeit, wenn die Beats ausgewählter Hard-Rock-Songs die Schläge begleiten. Wären da nicht AC/DC, Deep Purple & Co., könnten sich Besucher:innen in Theobalds Werkstatt in Beckstein, einem Stadtteil von Lauda-Königshofen, um ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit zurück versetzt fühlen. Wer sich durch die niedrige Tür des Fachwerkhäuschens bückt, wird vom Duft des Holzes empfangen. An den Wänden lehnen einige Arbeiten des Fassbodenschnitzers, in einer Weinkiste sind die Werkzeuge verstaut – wenn sie nicht gerade auf dem Fassboden bereitliegen, der den Arbeitstisch am Fenster einnimmt. Mit seiner grauen Arbeitsschürze, dem Geißfuß genannten V-Eisen und dem Holzklüpfel in der Hand wäre Theobald auch auf einem Mittelaltermarkt nicht fehl am Platz. Tatsächlich tritt er ab und an bei solchen Veranstaltungen auf.

„Das Holz sagt einem, wie es behandelt werden möchte.“

Heinz Theobald

Beigebracht hat sich der studierte Betriebswirt das Handwerk selbst. Die Leidenschaft fürs Schnitzen erwachte, als er in jungen Jahren nach Lauda-Königshofen kam. Die Landschaft des Taubertals mit seinen Weinbergen, Obstwiesen und historischen Städtchen, durchzogen von einem weitläufigen Rad- und Wanderwegenetz rund um die Tauber, gefiel dem gebürtigen Saarländer so gut, dass er sich entschied zu bleiben. Schnell hatte er auch Kontakt zu einem Winzer und begann, sich mit der jahrhundertealten Tradition des Fassbodenschnitzens zu beschäftigen.

Der Weinbau ist im Lieblichen Taubertal tief verwurzelt. Viele Familien hatten früher ihre eigenen Weinstöcke und lagerten ihren Wein in Holzfässern im Keller. Wer es sich leisten konnte, ließ sein Fass verzieren – eigentlich aus denselben Gründen wie heute, weiß Heinz Theobald: „Es geht darum, Ereignisse aus der Familiengeschichte festzuhalten, um sie an die Nachkommenschaft weiterzugeben.“ Ein runder Geburtstag, eine Hochzeit oder eine Konfirmation sind beliebte Anlässe, eine Schnitzerei zu bestellen.

© Barbara Keil

Oft führen Theobalds Aufträge ihn in solche Weinkeller – zuletzt zum Beispiel in den Stückfasskeller der Würzburger Hofkellerei. Aber auch vor Ort im Lieblichen Taubertal gibt es genug zu tun. Nur wenige Meter von der Werkstatt entfernt liegt die moderne Vinothek der Winzergenossenschaft Beckstein mit dem St.-Kilian-Keller. Dort lagern unterm Muschelkalkgewölbe riesige Eichenfässer. Zwei davon hat Heinz Theobald kunstfertig beschnitzt, anlässlich des 100. und des 125. „Geburtstags“ der Genossenschaft. Die Arbeit an den gefüllten Fässern hat ihre Tücken – besonders, wenn der Durchmesser bei über zwei Metern liegt. Solch ein Riesenfass mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Litern hat Heinz Theobald für das Laudaer Weingut Johann August Sack bearbeitet. Vorlage für das Motiv war ein Stich aus dem 16. Jahrhundert. In monatelanger, akribischer Arbeit übertrug der Holzbildhauer die Arbeiter bei der Weinlese und die Stadt Lauda-Königshofen im Hintergrund auf das über 100 Jahre alte Holz. „Am Anfang bin ich auf fünf Europaletten gestanden und am Ende unten auf einer Weinkiste gesessen“, erinnert er sich.

Nicht nur Weinfässer werden von Heinz Theobald veredelt. Wer die Distelhäuser Brauerei im Tauberbischofsheimer Ortsteil Distelhausen besucht, wird gleich an der Fassade von einem Fassboden aus Theobalds Werkstatt begrüßt. Bevor er sich selbstständig machte, war der Fassbodenschnitzer 15 Jahre lang in der Brauerei beschäftigt, zuerst als Marketingleiter und danach als Gastronomie- und Eventberater. In dieser Zeit hat er rund 300 Gaststätten geplant und überwiegend auch gebaut, danach kamen als Selbstständiger noch einmal rund 100 dazu. Seine Erfahrungen nutzt er heute, um unter dem Motto „Wood Rock“ Wein- und Bierproben zu veranstalten. Dafür kombiniert er heimische Weine und Biere nicht nur mit regionalen Spezialitäten, sondern auch mit der passenden Rockmusik: „Zu Weinen mit fruchtiger Note nehme ich zum Beispiel Santana, zu einem kräftigen Wein darf es härtere Musik sein.“ Eine dieser „Wood-Rock-Weinproben“, bei der Theobald auch seine Schnitzkunst vorführt, findet jedes Jahr im Laudaer Rathaussaal statt. Firmen, Vereine und Gruppen können das Angebot auch buchen.

© Barbara Keil

Zu viel wird es dem umtriebigen Laudaer nicht. „Ich brauche die Abwechslung“, erklärt er. Auf Anfrage bietet er deshalb auch noch Schnitzkurse an – natürlich mit passendem Rahmenprogramm von Wein- und Bierproben bis hin zu Ausflügen in die Welt der hohen Schnitzkunst: Schließlich hütet das Liebliche Taubertal etwa in der Herrgottskirche in Creglingen Schätze des Kunstschnitzers Tilman Riemenschneider. Als ein Nachfolger dieses Meisters sieht Heinz Theobald sich aber nicht. Er sei ein Handwerker, betont er bescheiden – aber einer, der weiß, was das Holz zu sagen hat.

Wein, Bier, Natur pur – und ein wahrer Fassschnitzmeister: Wer das Liebliche Taubertal näher kennen lernen möchte, findet weitere Informationen zur Region unter www.liebliches-taubertal.de und zu Heinz Theobald unter www.heinzatheobald.de. Ausflüge in das Liebliche Taubertal lassen sich durch das weitläufig ausgebaute Bus- und Bahnnetz um Lauda-Königshofen gut mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bestreiten. Nähere Informationen unter: www.liebliches-taubertal.de – Anreise.

Barbara Keil

Verfasst von Barbara Keil
am 30. September 2022 unter Weinland Franken mit den Schlagwörtern Kunst, Liebliches Taubertal, Regional, Wein.

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