Geschichte zum Anfassen: Eine kulinarisch-kulturelle Entdeckungsreise durch Schweinfurt im Fränkischen Weinland

Geschichte lebendig werden lassen. Das ist seit 20 Jahren mein Hobby und meine Leidenschaft als Gästeführerin im Fränkischen Weinland, genauer gesagt in Schweinfurt. Mal schlüpfe ich in die Rolle der Magd Minna, die den Besuchern einen spannenden Einblick in ihren Alltag als Bedienstete zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gibt. Oder ich weihe unsere Besucher in ein paar Geheimnisse der Stadt ein, während wir durch die wunderschöne Altstadt spazieren.

Doch wer steckt hinter all dem fragt sich jetzt vielleicht der ein oder andere? Mein Name ist Martina Barth und ich bin ein echter „Schnüdel“. Das heißt, ich bin in Schweinfurt geboren und aufgewachsen.

Woher dieser Spitzname kommt? Nun, vom Fußball. Denn vor der Erfindung des Blitzventils mussten Bälle an einer Stelle abgebunden werden, damit die Luft drinblieb. Und dieser Abbindzipfel hieß im Schweinfurter Dialekt „Schnüdel“. Der Spitzname blieb nicht nur für die Fußballer unseres 1. FC Schweinfurt 05, sondern für die Schweinfurter generell.

Mit der Magd Minna auf Zeitreise durch Schweinfurt zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges

Schon als Kind fand ich es sehr spannend, solche Geschichten zu hören. Und Geheimnissen auf die Spur zu kommen, wie der Frage, weshalb es im Stadtteil Zürch eine Burggasse gibt, aber weit und breit keine Burg. Und weil es mir schon immer Spaß machte, auch anderen davon zu erzählen, bin ich seit fast 20 Jahren Gästeführerin.

© TI Schweinfurt 360° / F. Trykowski

Vor einigen Jahren überlegte ich mir, meinen Gästen auch einen anderen Blick als den gewohnten auf die historischen Ereignisse in unserer Stadt zu bieten. So entstand die Figur der „Magd Minna“, einer geschwätzigen Bediensteten der vornehmen Bürgerfamilie Höfel in der bedrohlichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Ein bisschen frech plaudert Minna über das Leben in der protestantischen Freien Reichsstadt. Und auf einmal ist Geschichte kein distanzierter Rückblick mehr, sondern eher persönliches und unterhaltsames Erleben einer Zeit, die die meisten vermutlich ausschließlich mit Langeweile im Geschichtsunterricht verbinden. Dass diese kleine Zeitreise tatsächlich funktioniert, bekomme ich von meinen Gästen immer wieder bestätigt.

Schweinfurt hat in seiner Geschichte schon viele Krisen überstanden und ist immer wieder aufgestanden

Durch die lange Geschichte Schweinfurts zieht sich eines wie ein roter Faden: Immer wieder musste sich die Stadt nach Zerstörungen, Kriegen und Krisen neu aufbauen. Doch da zeigt sich der Geist einer Freien Reichsstadt. Auf sich gestellt, das Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und Lösungen zu finden. Nicht verwunderlich ist es daher, dass gerade hier immer wieder findige Köpfe außergewöhnliche Ideen hatten, wie z.B. Wilhelm Sattler, Friedrich Fischer oder Ernst Sachs, deren Tüfteleien den Grundstein der erfolgreichen Schweinfurter Industrie legten. Übrigens: das Blitzventil für Bälle, das den „Schnüdel“ überflüssig machte, wurde ebenfalls in Schweinfurt erfunden.

Von der tristen Industriestadt zum Städtetrip Geheimtipp im Fränkischen Weinland

Heute freue ich mich sehr darüber, wie sich die Innenstadt in den letzten Jahrzehnten verändert hat. In meiner Kindheit und Jugend war sie noch geprägt von starken Zerstörungen der Bombenangriffe im 2. Weltkrieg und dem schnellen, allerdings nicht immer schönen Wiederaufbau danach. Dies brachte ihr leider den Ruf einer eher tristen Industriestadt ein. Es macht mich glücklich, inzwischen Besuchern ein anderes Stadtbild präsentieren zu können:
Unsere Altstadt mit ihren historischen, der Zerstörung glücklicherweise entgangenen Bauwerken. Das wären zum einen das Alte Rathaus und die Pfarrkirche St. Johannis. Oder das Alte Gymnasium und das Zeughaus. Es gibt aber auch Bauwerke, die mittlerweile eine bemerkenswerte Kombination aus Alt und Neu sind, wie etwa die Stadtbücherei im außergewöhnlich restaurierten „Ebracher Hof“ aus dem 15. Jahrhundert oder die Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad. Zusätzlich prägen unser Stadtbild auch sehr interessante Industriedenkmäler, wie unser einzigartiger „Schrotturm“.

Bei einem Gläschen Frankenwein mit den Schweinfurtern ins Gespräch kommen

Zwar werden die Franken gerne als etwas maulfaul und brummig beschrieben, wir Schweinfurter aber sind sehr gesellig. Besonders an Markttagen ist unser Markplatz vor dem Alten Rathaus ein beliebter Treffpunkt, um Gemüse zu kaufen, ein wenig zu „ratschen“ und auch mal ein Gläschen Frankenwein zu trinken. Und wir feiern gern, wie zum Beispiel die traditionellen Stadtteilkirchweihen oder unser alljährliches Stadtfest mit Veranstaltungen auf den Plätzen der Innenstadt.
Dank unserer Museen, Kulturvereine und unseres Stadttheaters gibt es für alle Geschmäcker tolle kulturelle Angebote, ob Kunstausstellungen, Schauspiel, Ballett, Kabarett oder Heavy-Metal-Konzerte. Deshalb zeige ich Besuchern sehr gerne nicht nur die historische, sondern auch die lebenswerte Seite unserer Stadt. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, wäre ich nicht nach Studium und längerem Auslandsaufenthalt wieder hierher zurückgekehrt!

Meine Top 3 Sehenswürdigkeiten in Schweinfurt

Häufig werde ich nach meinen Lieblingsplätzen in Schweinfurt gefragt. Und da gibt es drei ganz besondere Orte.

Das Museum Georg Schäfer – die weltweit größte Privatsammlung deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts

Zum einen schlägt mein Herz für das Museum Georg Schäfer. Durfte ich doch seit seiner Eröffnung vor 20 Jahren als Museumführerin „der ersten Stunde“ hautnah miterleben, wie diese wunderbare Gemäldegalerie sich zu einem unverzichtbaren Bestandteil der Stadt entwickelt hat. Dass diese weltweit größte und bedeutendste Privatsammlung deutscher Malerei des 19. Jahrhunderts, vom Schweinfurter Unternehmer Dr. Georg Schäfer zusammengetragen, hier in unserer Stadt ein Zuhause hat, macht mich als Schweinfurterin glücklich und auch ein wenig stolz. Immer wenn ich dieses außergewöhnliche, moderne Museumsgebäude betrete, erfüllt mich eine herrliche Ruhe. Jeglicher Alltagsstress fällt von mir ab, sobald ich den beeindruckenden Treppenaufgang hinaufgehe und die Räume mit den hochkarätigen Kunstwerken von z.B. Caspar David Friedrich, Lovis Corinth und Carl Spitzweg durchstreife. Für mich ist auch heute noch jeder Museumsbesuch ein besonderes Erlebnis.

© TI Schweinfurt 360° / P. Leutsch

Bei einem Spaziergang um die Altstadt die Seele baumeln lassen

Und bei schönem Wetter? Da ist ein Spaziergang einmal um die Schweinfurter Altstadt herum für mich Entspannung pur. In den letzten Jahrzehnten wurden und werden auch weiterhin Teile unserer Altstadt erfolgreich saniert. Gerade um die historische Stadtbefestigung herum wurden in den vergangenen Jahren vergessene Bauwerke wie Mauerteile oder Türme wieder „gefunden“ und renoviert, Verfallenes oder Unbeachtetes wieder „aufpoliert“. In dem idyllisch angelegten Grüngürtel mit Teichen, Brunnen und Spielplätzen am Fuß der Stadtmauer kann ich einfach mal die Seele baumeln lassen. Und genügend Gelegenheiten zur Stärkung gibt’s auf dem Weg auch. Besonders gern lege ich in den Sommermonaten einen Stopp am „Stadtstrand“ direkt am Main ein.

Eine tierische Entdeckungsreise durch den Wildpark an den Eichen

Und wenn ich mal raus aus der Innenstadt möchte? Dann besuche ich den Wildpark an den Eichen. Schon als Kind war ich mit meinen Eltern hier, später dann mit meinen beiden Söhnen und heute gehe ich mit meinem Hund oft im Wildpark und dem angrenzenden Stadtwald Gassi. Es macht immer wieder Riesenspaß, die Luchse, Hochlandrinder, Jakobsschafe oder ganz besonders die Elche, die uns fast alljährlich mit ihrem süßen Nachwuchs entzücken, zu besuchen. Und eine kleine Unterhaltung mit den Beos muss dann auch immer sein. Über 50 Tierarten haben hier in großzügigen Gehegen ein schönes Zuhause. In den letzten Jahren wurden vom Wildparkteam immer wieder spannende neue Projekte umgesetzt, z.B. der Eulensteg oder der Bauernhof. Neidvoll schaue ich auch auf die fantasievollen Spielplätze wie dem Baumhaus mit Riesenrutsche oder dem Wasserspielplatz „Wildparkdampfer“. Wenn es diese doch schon in meiner Kindheit so gegeben hätte! Was besonders toll ist? Wir können so oft wie wir möchten hierherkommen, denn der Wildpark ist das ganze Jahr über geöffnet und kostet keinen Eintritt!

Enden möchte ich mit einem Zitat des Dichters Friedrich Rückert, der von seinem Denkmal auf dem Markplatz das Leben in Schweinfurt immer im Blick hat: „Frage nicht, was das Geschick morgen will beschließen, unser ist der Augenblick, laß uns den genießen!“ Vielleicht sehen wir uns ja mal bei einem genussvollen Stadtrundgang durch Schweinfurt!

Na, neugierig geworden? Die Stadt im Fränkischen Weinland ist wunderbar mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen und zu jeder Jahreszeit ein ideales Ausflugsziel! Weitere Informationen zu Schweinfurt gibt es hier.

Martina Barth

Verfasst von Martina Barth
am 21. Januar 2021 unter Die Fränkischen Städte mit den Schlagwörtern Die fränkischen Städte, Fränkisches Weinland, Führung, Schweinfurt.

Beteilige dich an der Unterhaltung

    Hallo Ins – Ich bin ja richtig stolz auf Dich, super – muss es noch eingehender studieren. Grüße Dein Scheieger…….

    Wunderbar Ina. Sehr schön und sehr gut.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert