Frankenwald: Grüne Seele, großes Herz
Die Natur ist bei Carola Hebentanz aus dem Frankenwald in jeder Form willkommen. Als Teuschnitzer „Kräuterfraala“ kennt sie jedes Kraut. Zudem kümmert sie sich um verwaiste und verletzte Wildtiere, bis sie wieder in Wald und Wiese entlassen werden können.

Wenn man Wein mit Familiennamen (und Sisi mit Vornamen) heißt, passt es wunderbar, wenn man über den Frankenwein schreiben darf. Und über Frankens kulinarische Besonderheiten. Über Natur, Traditionen und Kultur. Und nicht zuletzt über unglaublich spannende und gastfreundliche Menschen, die das Urlaubsland so besonders machen. Das tue ich nun, seitdem ich vor rund 20 Jahren als Journalistin vom Bayerischen Wald in den Naturpark Altmühltal gezogen bin.
Mit den Hausbesuchen begleiten wir Einheimische bei ihrem täglichen Wirken im Urlaubsland Franken. Heute bin ich zu Gast bei Carola Hebentanz, dem „Kräuterfraala“ aus dem Frankenwald. Sie verbindet ihre Leidenschaft für Heilpflanzen mit großem Engagement für verletzte und verwaiste Wildtiere, gründete die Arnika-Akademie und lebt so ihre tiefe Liebe zur Natur in all ihren Facetten.

Siebi tut, was Babys tun. Er schläft – aber wenn er aufwacht, dann kann die Nuckelflasche nicht schnell genug bereitstehen. Der verwaiste Siebenschläfer ist erst drei Wochen alt: rosa Schnäuzchen, lange Schnurrhaare, nicht viel schwerer als eine Feder und das Köpfchen so groß wie der Daumen seiner Ziehmutter auf Zeit.

„Ich pflege meine Schützlinge so kurz wie möglich und so lange wie nötig. Wildtiere gehören in die Wildnis“, betont Carola Hebentanz. Alle zwei Stunden füttert sie den kleinen Siebenschläfer, auch nachts. Und die nächsten hungrigen Mitbewohner warten schon – in Gestalt von fünf jungen mutterlosen Igeln. Sie sehen aus wie Kastanien, ihr Duft erinnert allerdings an ein Raubtiergehege: „Geruchstechnisch sind Igel einfach eine Katastrophe“, stellt ihre menschliche Amme fest.

Ob kurze Nächte oder eine besondere Duftnote: Carola Hebentanz macht das nichts aus. Immer wieder werden ihr verwaiste oder verletzte Tiere gebracht, die sie in Rücksprache mit Tierärzt:innen, den Naturschutzbehörden oder dem Landesbund für Vogelschutz aufpäppelt, bis sie ausgewildert werden können. Bei ihrem ersten „Fall“, einem Taubenküken, war sie gerade einmal 16 Jahre alt: „Mein Vater hat gesagt, das stirbt sowieso. Aber wenn ich es durchbringe, bekomme ich ein Taubenhaus.“ Bald schon stand eben jenes im Garten ihres Elternhauses im Teuschnitzer Ortsteil Wickendorf, wo die Förderschullehrerin mit der langen roten Lockenmähne wohnt. Ob Notfall-Tauben, Teichhühner oder Waldkauze: Carola Hebentanz kümmert sich mit vollem Einsatz um ihr tierisches Lazarett.
Voller Einsatz im Wildtier-Lazarett
Oft sind auch Haus- und kleine Hoftiere, die verletzt, verlassen oder einfach entsorgt wurden, unter ihren Patienten. Einige von ihnen, darunter Laufenten, Hühner, Katzen und sogar afrikanische Riesenschnecken, haben bei Carola Hebentanz eine neue Heimat gefunden. Unterm Dachvorstand drängen sich außerdem die Nester von Schwalben und Mauerseglern aneinander, dahinter sind Fledermäuse in Kästen und Nischen zu Hause. Wildbienen & Co. haben die Auswahl zwischen gleich mehreren Insektenhotels.

Auch bei ihren Gartenpflanzen, darunter sehr viele heimische Kräuter, geht es Carola Hebentanz um Naturnähe. „Mein Garten ist wild und soll leben“, so seine Besitzerin, deren Wissen um die Kraft der Kräuter enorm ist. „Mit Kräutern ist es wie mit Freunden“, erzählt sie. „Eine Handvoll sind enge Vertraute, andere sind Bekannte für die Special Effects.“ Einen festen Platz in ihrem Kräuter-Freundeskreis haben Thymian, Disteln, Holunder oder das Echte Herzgespann. Im Haus hängen Büschel getrockneter Kräuter von der Decke, in einem großen Regal reihen sich beschriftete Gefäße mit Kräutern aneinander. Carola Hebentanz macht daraus Salben oder setzt Essige an. „Das Schöne ist“, führt sie aus, „dass die Natur dem Menschen zu jeder Jahreszeit Kräuter zur Verfügung stellt, die er gerade braucht: Im Frühjahr lassen sich zum Beispiel viele Kräuter ernten, die entwässern oder das Immunsystem stärken“.

Eine Akademie für die Arnika
Besonders verbunden fühlt sich Carola Hebentanz den Heilpflanzen, die typisch für die Hochflächen des Frankenwalds sind: das beruhigende Johanniskraut, die herzstärkende Bärwurz, die desinfizierende Blutwurz oder die antiseptische Schafgarbe. Eine große Rolle kommt der Arnika mit ihren rund 150 pharmazeutisch wirksamen Inhaltsstoffen zu. Sie gehört in Deutschland zu den gefährdeten Arten, in der Teuschnitz-Aue aber besteht ein natürliches Arnika-Vorkommen. Zusammen mit Gleichgesinnten hat Carola Hebentanz deshalb in ihrer Heimatstadt die Arnika-Akademie auf den Weg gebracht, die 2014 eröffnet wurde. „Mit der Akademie wollen wir zeigen, wie wertvoll die Wiesen und Pflanzen des Frankenwalds sind“, betont sie. Das gelingt mit Vorträgen, Workshops und Seminaren rund ums Thema Kräuter. Auch Wildkräuterspaziergänge oder Wanderungen auf dem „Arnika-Weg“ stehen auf dem Programm. Die Akademie bietet zudem die Weiterbildung „Praktiker:in in der Traditionellen Europäischen Heilkunde“ an, bei der Carola Hebentanz als Dozentin unterrichtet.

Zur Akademie gehören zusätzlich ein Café und ein Laden, in dem die Produkte der Naturmanufaktur Teuschnitz erhältlich sind – von handgefertigten Kräutertees bis zu hochwertiger Naturkosmetik. Die Rohstoffe dafür stammen unter anderem aus dem Kräuterlehr- und Schaugarten, der sich unterhalb der Arnika-Akademie erstreckt. Das Areal wurde mit rund 3.500 Kräutern, Heilpflanzen und Zierstauden bepflanzt. Das erfreut das Auge und ganz nebenbei ist so auch neuer Lebensraum für die unterschiedlichsten Insekten entstanden. Regelmäßig lädt die Akademie zum Sonntagscafé mit Führung durch den Garten ein, bei der sich zum Kräuterwissen der Genuss von hausgebackenen Kuchen, Torten, Kaffee und natürlich Kräutertee gesellt. Auch Carola Hebentanz stattet dem Garten gerne einen Besuch ab und schnuppert am „Frauenkraut“ Muskatellersalbei oder erzählt, dass die Engelswurz oft verräuchert wird, wenn jemand im Sterben liegt – sie erleichtere den Übergang.

Der Frankenwald ist eine faszinierende Naturpark-Landschaft. Artenreiche Wiesen, Hochplateaus mit herrlichen Aussichten und bewaldete Berge wechseln sich hier ab. Das zeigt sich am besten, wenn man mit dem Rad oder Mountainbike durch das Mittelgebirge unterwegs ist oder zu Fuß die „Qualitätsregion Wanderbares Deutschland“ entdeckt. Selbst „indoor“ geht das Erlebnis weiter – etwa in den Naturparkinformationszentren im ehemaligen Bahnhof Blechschmidtenhammer bei Lichtenberg oder im einstigen Bahnhof Steinwiesen. Und dabei mmer eine Empfehlung: eine Tour mit den Frankenwald-Ranger:innen! Die Liebe zur Natur schlägt sich auch in der Frankenwald-Küche nieder. Hier wird regional und saisonal gekocht, dazu schmeckt das Bier aus den heimischen Brauereien. Die Natur steht auch beim Thema Wellness und Gesundheit für Höhepunkte: In der Therme Bad Steben entfalten Naturmoor, Kohlensäure und Radon ihre Kraft.

